Die DGTHG trauert um Professor Dr. med. Aldo R. Castañeda

Am 30. April 2021 verstarb Professor Dr. med. Aldo R. Castañeda im Alter von 90 Jahren in Guatemala.

Aldo R. Castañeda wurde am 17. Juli 1930 in Nervi bei Genua geboren. Im Alter von 5 Jahren zogen seine lateinamerikanischen Eltern mit ihm nach München. Er wurde in Deutschland eingeschult und legte dort auch sein Abitur ab. Somit erlebte er als Heranwachsender das „Dritte Reich“ aus nächster Nähe, in dem er und seine Familie als „feindliche Fremde“ eingestuft wurden. Trotz dieser besonderen, distanzierten Stellung, die ihn nachhaltig prägte, bewahrte er zeitlebens eine große Nähe zur deutschen Kultur. In St. Gallen in der Schweiz erwarb er nach dem Krieg die Oxford-College-Reife und kehrte 1951 Europa den Rücken, um in Guatemala Medizin zu studieren. An der Universität von San Carlos wurde er in jedem Studienjahr bis zu seinem Abschluss als der beste Student seines Jahrgangs ausgezeichnet. Zum Abschluss seines Medizinstudiums 1958 bekam er als besonders herausragender Medizinstudent den Justo Rufino Barrios Preis des Landes Guatemala. Besonders bemerkenswert ist seine frühe Zuwendung zur experimentellen Forschung in der Herzchirurgie, dokumentiert mit seiner Abschlussarbeit „Chirurgie am offenen Herzen: Eine experimentelle Studie“. Diese öffnete ihm die Tür nach Minnesota, um bei Walton Lillehei und Richard Varco als einer der ersten Herzchirurgen weitergebildet zu werden. Seine außerordentlichen Fähigkeiten blieben nicht unbemerkt, so dass er auch vom Chairman des Departments, Owen H. Wangensteen, gefördert wurde. 1963 erwarb er den Master in Biochemie, und 1964 schloss er den PhD ab. Im selben Jahr beendete er seine chirurgische Ausbildung und wurde 1970 zum Professor für Chirurgie ernannt. Im Oktober 1972 folgte er auf die Stelle von Robert Gross am Boston Children´s Hospital und wurde zum Professor für Chirurgie an die Harvard Medical School berufen.

Seine chirurgische Geschicklichkeit, sein offener und innovativer Geist machten dieses Zentrum rasch zum Nabel der „kinderherzchirurgischen Welt“. Sein Ruf als wissenschaftlicher Mentor und chirurgischer Lehrer führte viele talentierte und wissbegierige junge Chirurgen aus dem In- und Ausland nach Boston.

Aldo Castañeda war ein herausragender„Gigant“ unter den Pionieren der Kinderherzchirurgie. Ihm sind u.a. die Einführung der Frühkorrekturen, insbesondere auch bei Neugeborenen, und damit die Abkehr von unnötigen Palliationen zuzuschreiben. Der Aufbau und die Organisation der „congenital heart surgery unit“ in Boston mit allen beteiligten Fachgebieten gilt als Vorbild für ein herzmedizinisches Zentrum, das die erfolgreiche Behandlung des Patienten in den Mittelpunkt stellt.

Von 1993 bis 1994 war er Präsident der AATS und widmete seine bemerkenswerte Presidential Address mit dem Titel „The making of a cardiothoracic surgeon: An Appolonian quest“ ganz der Weiter- und Fortbildung junger Kollegen.

Nach seiner Emeritierung 1994 leitete er gemeinsam mit William Norwood eine private Klinik in Genolier in der Schweiz. 1997 kehrte er dann mit seiner Frau in seine Heimat nach Guatemala zurück, um in seinem Heimatland ein Kinderherzzentrum (Heart Center UNICAR) aufzubauen. Bis zuletzt hat er sich dieser Aufgabe mit sehr großem Engagement gewidmet.

Die DGTHG würdigte die Verdienste Aldo Castañedas mit Verleihung der Ehrenmitgliedschaft. Auch jenseits der Herzchirurgie war er ein faszinierender, universell gebildeter und aufgeschlossener Mensch. Gebahnt durch seinen Lebenslauf und seine polyglotte Kindheit sprach Aldo Castañeda sieben Sprachen fließend, darunter Deutsch mit einem unverkennbaren Münchner Akzent. Neben der Literatur galt sein Interesse moderner Kunst.

Die Deutsche Gesellschaft für Herz-, Thorax und Gefäßchirurgie trauert um ihr langjähriges und verdientes Ehrenmitglied. Sie wird Aldo Castañeda ein würdiges Andenken bewahren.

Seiner Familie gilt unsere tief empfundene Anteilnahme.

 

 

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