Deutscher Herzbericht 2019 bestätigt hervorragende herzchirurgische Versorgung in Deutschland
(Frankfurt a.M., 12.11.2020) Vom Säugling bis zum Senior: Bundesweit und flächendeckend sind die Deutschen seitens der Herzchirurgie auf Spitzenniveau bestens versorgt. So zeigt es der aktuell in Frankfurt am Main vorgestellte Deutsche Herzbericht 2019. Generell sind Herzerkrankungen weiterhin vor Krebsleiden mit Abstand die Todesursache Nummer eins in Deutschland. Zu sehen ist dies im Kontext des demographischen Wandels und der altersbedingten, erworbenen Herzerkrankungen. „Die Herzchirurgie in Deutschland ist seit Jahren auf einem konstant hohen Qualitätsniveau und gewährleistet die bestmögliche und patientenindividuelle Versorgung“, erklärt Prof. Dr. Jan Gummert, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Thorax-, Herz- und Gefäßchirurgie (DGTHG). „Im Jahr 2018 wurden in den insgesamt 78 deutschen Fachabteilungen für Herzchirurgie 98.707 Herzoperationen durchgeführt, davon 11.147 (11,3%) als Notfälle. Inkludiert man alle erfassten Eingriffskategorien der DGTHG-Leistungsstatistik und zählt Herzschrittmacher- und Defibrillator-Eingriffe, sowie die Operationen der herznahen Hauptschlagader ohne Einsatz der Herz-Lungen-Maschine dazu, summiert sich die Gesamtzahl auf 174.902 im Jahr 2018.“
Im Mittelpunkt der aktuell 1.094 tätigen Herzchirurg*innen stünde immer die Verbesserung der Lebenserwartung und Lebensqualität herzkranker Patienten. „Die moderne High-Tech-Medizin sowie die Weiterentwicklung innovativer Operationstechniken und -verfahren erlauben eine stetige Verbesserung der Behandlungsmöglichkeiten, dies auch im Kontext des steigenden Patientenalters“, so Herzchirurg Gummert.
Alter herzchirurgischer Patienten steigt im Kontextdes demographischen Wandels
Die Alterung der Bevölkerung spiegelt sich auch bei Patienten, die eine Herzoperation benötigen wider, und folgt in ihrer Häufigkeit dem demographischen Wandel. Unterteilt nach Altersgruppen, zeigt sich für die ab 80Jährigen ein Anstieg um 3,9 Prozent auf 16,7 Prozent aller operierten Herzpatienten, während der Anteil der Patienten in der Altersgruppe der 70-bis 80Jährigen von 38,2 Prozent (2011) auf 33 Prozent (2018) im selben Zeitraum gesunken ist. Ein weiterer prozentualer Zuwachs um 0,5 bzw. 1,8 Prozent ist in den Altersgruppen der 50- bis unter 60Jährigen und 60-bis unter 70Jährigen zu beobachten. Trotz dieser demographischen Entwicklungen lag die Überlebensrate weiterhin nahezu konstant bei ca. 97 Prozent.
Erfreulicher Anstieg: 2018 mehr Herztransplantationen
Erfreulicherweise ist die Anzahl der Spenderherzen und damit die Zahl der Herztransplantationen gestiegen: Nach dem Negativrekordjahr 2017 mit nur 257 transplantierten Herzen konnte im Jahr 2018 ein Anstieg auf 318 Herztransplantationen verzeichnet werden. Die DGTHG begrüßt sehr die offensichtliche Zunahme der Organspendebereitschaft. Mit der fachgesellschaftseigenen Kampagne, gestartet im Februar 2020 und unterstützt u.a. von dem herztransplantierten Berliner Alexander Zielke, sensibilisieren die Herzchirurg*innen weiter für das Thema Organspende und werben dafür, sich auch weiterhin intensiv mit der komplexen Thematik zu befassen. „Das menschliche Herz ist derzeit unersetzbar; die Transplantation ist die beste Option für geeignete Patient*innen im Endstadium einer Herzschwäche“, betont Prof. Gummert.
Herzunterstützungssysteme zur Überbrückung bis zur Transplantation oder als alternative Dauertherapie
Mechanische Herzunterstützungssysteme sind für schwerkranke Herzpatienten sowohl eine Option bis zur Transplantation, aber auch eine dauerhafte Therapiemöglichkeit. Die Zahl der implantierten Herzunterstützungssysteme ist von insgesamt 1.027 im Jahr 2017 auf 942 im Jahr 2018 gesunken, wobei die sog. Links-/Rechtsherz-Unterstützungssysteme bei 97 Prozent der Patienten zum Einsatz kommen (903 LVAD, linksventrikuläres Herzunterstützungssystem/16 BVAD, biventrikulärer Herzunterstützung). Eine untergeordnete Rolle spielen die implantierbaren Kunstherzen („total artificial heart“ TAH/Vollkunstherz) mit einer Zahl von 23 Implantationen.
Covid-19 beeinflusst aktuell nicht die Spendebereitschaft
Organspender werden auch weiterhin dringend benötigt. Allein in Deutschland warten rund 9.000 Menschen auf geeignete Spenderorgane (Herz, Niere, Leber etc.). Erfreulicherweise hat die Corona-Pandemie keine bisher bekannten, direkten Auswirkungen auf die Spendebereitschaft in Deutschland. Nach neuesten Angaben der DSO (Deutsche Stiftung Organtransplantation) wurden im Jahr 2020 bereits insgesamt 278 Herzen postmortal in Deutschland gespendet (Stand November 2020).
Covid-19 und herztransplantierte Patienten
Bis dato haben bei einer Datenerhebung in allen Zentren (bis 26. Juni 2020) 21 herztransplantierte Menschen mit dem SARS-CoV2-Virus infiziert. 38 Prozent davon mussten beatmet werden; 33 Prozent sind von diesen verstorben. „Herztransplantierte Patient*innen gehören durch Ihre komplexe Erkrankung wie auch die Notwendigkeit der Unterdrückung des Immunsystems klar zur Hoch-Risikogruppe und müssen geschützt werden“, betont Prof. Jan Gummert.
Koronare Bypass-Versorgung: Kombinationseingriffe erfordern Abstimmung im Herz-Team.
Im Jahr 2018 wurden bundesweit 44.270 (2017: 47.673) isolierte und kombinierte koronare Bypass-Operationen durchgeführt, bei ca. 87 Prozent unter Einsatz der Herz-Lungen-Maschine. Die Koronare Bypass-Operation und Herzklappenchirurgie sowie weitere Eingriffe werden häufig kombiniert (33.999 Bypass-Operationen zzgl. 8.370 Herzklappenoperationen und 1.901 weitere Eingriffe). Infolgedessen ist die interdisziplinäre Abstimmung im etablierten Herz-Team obligat unter Einhaltung der nationalen und europäischen Leitlinien: Bei der koronaren 3-Gefäß-Erkrankung und der Hauptstammstenose empfehlen diese eindeutig (IA-Empfehlung) eine koronare Bypass-Operation. Insbesondere Patienten mit Diabetes mellitus profitieren langfristig von dem herzchirurgischen Eingriff. Signifikante Vorteile haben ebenfalls Patienten mit einer eingeschränkten LV-Funktion und solche, bei denen vorangegangene Katheterinterventionen (PCI) nicht zu einem stabilen Langzeiterfolg geführt haben.
Herzklappenoperationen sind Teamarbeit: Etabliertes Herz-Team obligat bei Entscheidungsfindung
Welche Therapie für welche Patient*innen in Frage kommt, muss im interdisziplinären Herz-Team gemäß den nationalen und europäischen Leitlinien abgestimmt werden. Die Anzahl der Herzklappenoperationen steigt im Kontext des Patientenalters, da die Aortenklappenstenose (Verengung der Aortenklappe) und die Mitralklappeninsuffizienz (Undichtigkeit der Mitralklappe) die häufigsten erworbenen, altersbedingten Herzklappenerkrankungen sind. Insgesamt wurden 2018 bundesweit 34.915 (2017: 34.394) Herzklappeneingriffe vorgenommen. Auf Platz eins der operationsbedürftigen Herzklappenerkrankungen steht die Aortenklappenstenose mit 9.829 konventionellen Aortenklappenoperationen (2017: 10.556). Beim Ersatz der Aortenklappe wird zu 90 Prozent eine biologische und zu 10 Prozent eine mechanische Prothese implantiert, da eine gute Haltbarkeit der biologischen Prothesen im Kontext mit dem zumeist hohen bzw. noch zu erwartendem Lebensalter der Patienten nachgewiesen ist. Die Altersgruppe der 70-bis 80Jährigen Patienten stellt mit 38,3 Prozent die größte Altersgruppe dar; gefolgt von den 60- bis 70Jährigen mit 32,2 Prozent
Die zweithäufigste konventionell chirurgisch behandelte Herzklappenerkrankung ist mit 6.222 herzchirurgischen Eingriffen im Jahr 2018 die Mitralklappeninsuffizienz (2017: 6.311). Bei der Behandlung gilt die Mitralklappen-Rekonstruktion nach wie vor als Gold-Standard. Für bestimmte Herzklappentherapien (TAVI, MitraClip), die von Herzchirurgen und Kardiologen gemeinsam durchgeführt werden, muss die „Richtlinie minimalinvasive Herzklappeninterventionen“ des Gemeinsamen Bundesausschusses (2015) obligat eingehalten werden.
„In jedem Falle wollen wir die bestmögliche Therapie für jeden Herz-Patienten“, erklärt Prof. Gummert. „Daher ist die interdisziplinäre und multiprofessionelle Konsensfindung im Team ein überaus wertvolles und zielführendes Instrument, um jeden Herz-Patienten mit bestmöglichem Wissen beraten und behandeln zu können.“