09.12.2014: TAVI: International konsentierte Empfehlungen sind mit Blick auf Patientensicherheit zwingend einzuhalten

Stellungnahme der Fachgesellschaft der Herzchirurgen zu monodisziplinärem Positionspapier der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie veröffentlicht

Anfang Oktober hatte die Deutsche Gesellschaft für Kardiologie (DGK) ein Positionspapier „Qualitätskriterien zur Durchführung der transvaskulären Aortenklappenimplantation“ publiziert.*In dieser Publikation werden explizit abweichende Standpunkte zu Studien und den diversen medizinischen Leitlinien formuliert, die von kardiologischen und herzchirurgischen Fachgesellschaften aus aller Welt konsentiert worden waren. Die Deutsche Gesellschaft für Thorax-, Herz- und Gefäßchirurgie (DGTHG) hat nun einen differenzierten Kommentar zu diesem monodisziplinären Papier veröffentlicht, in dem einige von den Kardiologen vorgeschlagene Aspekte mit Blick auf die Patientensicherheit abgelehnt werden.**

Konkret gilt für die Herzchirurgen unverändert die höchstmögliche Patientensicherheit auf der Basis verlässlicher Register- und Studienergebnisse als Richtschnur für medizinische Entscheidungen. „Die Leitlinien sind im Hinblick darauf nach wie vor aktuell. Wir können keinen einzigen medizinischen Grund erkennen, warum in Deutschland bei der Behandlung der Patienten von den weltweit geltenden Leitlinienvorgaben abgerückt werden sollte“, begründet DGTHG-Präsident Professor Jochen Cremer die Position der Herzchirurgen.

Ausweitung der TAVI-Eingriffe auf Patienten mit mittlerem OP-Risiko bedarf weiterer Studien
Die vor kurzem publizierten 1-Jahres-Ergebnisse des weltweit größten Registers zur Behandlung von erworbenen Aortenklappenerkrankungen, dem Deutschen Aortenklappenregister (www.aortenklappenregister.de), hatten auf Basis von 13.680 Patienten ergeben, dass im Risiko-adjustierten Vergleich die Sterblichkeit nach konventionellem Aortenklappenersatz gegenüber der nach kathetergestützter Aortenklappenimplantation in fast allen Risikogruppen geringer ist. Lediglich in der Patientengruppe mit den höchsten Risikoprofilen (log. EuroSCORE >30, German AV-Score >10%) ist eine Annäherung der Ergebnisse nach TAVI zu denen des konventionell chirurgischen Aortenklappeneingriffs festzustellen. Valide längerfristige Ergebnisse zu verschiedenen Aspekten und auch der Haltbarkeit der verwendeten TAVI-Prothesen fehlen noch. „Vor diesem Hintergrund ist die in dem DGK-Positionspapier angedachte Ausweitung dieser Behandlungsform auf Patienten mit mittlerem Risiko medizinisch derzeit nicht begründbar. Hier müssen weitere Studien und Registerergebnisse abgewartet werden, bevor wir verantwortungsvoll darüber sprechen können, diese Behandlung auf weitere Patienten auszuweiten“, fasst Cremer die Position der DGTHG zu dieser Frage zusammen.

Fachabteilungen für Herzchirurgie und Kardiologie vor Ort sind für Patientensicherheit unabdingbar
Auch sehen sämtliche interdisziplinären medizinischen Leitlinien und Konsensus-Empfehlungen vor, dass TAVI-Eingriffe nur an Standorten durchgeführt werden sollen, an denen sowohl eine entsprechend ausgestattete Fachabteilung für Kardiologie als auch eine vollausgestattete Fachabteilung für Herzchirurgie vorhanden ist. Eine Vorgabe, die aus Sicht der DGTHG zwingend erforderlich ist. Denn bei dieser Therapie kommt es in einzelnen Fällen zu schweren Komplikationen, die einen Abbruch der kathetergestützten Aortenklappenimplantation und einen sofortigen herzmedizinischen Notfalleingriff mit Öffnung des Brustkorbs und Anschluss an eine Herz-Lungen-Maschine notwendig machen. „Dass der Herzchirurg sein gesamtes Können zur Rettung des Patienten dann wie von der DGK vorgeschlagen außerhalb eines vollausgestatteten herzchirurgischen Operationssaals einbringen kann, ist weltfremd. Auch die professionelle und kontinuierliche Nachbetreuung von diesen herzchirurgisch und kardiologisch behandelten Patienten kann nur eine Institution mit herzchirurgischen und kardiologisch Fachabteilungen leisten“, meint Cremer.

Deshalb habe der DGTHG-Vorstand mit großer Sorge zur Kenntnis genommen, dass im Gegensatz zu den in allen Leitlinien festgehaltenen Empfehlungen in Deutschland im Jahr 2013 an 17 Kliniken TAVI-Prozeduren durchgeführt wurden, ohne dass diese jeweils vor Ort über die beiden zwingend notwendigen Fachabteilungen (Herzchirurgie & Kardiologie) verfügten. Eine Praxis, welche die gesetzlichen Krankenkassen im zunehmenden Maße auch mit gerichtlicher Feststellung nicht finanzieren.***

Wiederaufnahme des gemeinsamen Vorgehens geboten
Die DGTHG strebt weiterhin ein abgestimmtes Vorgehen von beiden herzmedizinischen Fachgesellschaften auf Basis des internationalen Konsens an. „Wir sind mit der DGK gemeinsam Träger des Deutschen Aortenklappenregisters und haben somit eine solide Datengrundlage, um die Entwicklungen bei der kathetergestützten Aortenklappenimplantation evidenzbasiert zu begleiten und wissenschaftlich bewerten zu können. Vor diesem Hintergrund ist die DGTHG auch weiterhin für gemeinsame personen- und institutionsbezogene Zertifizierungsverfahren offen, die ein wesentlicher Faktor für den strukturierten Nachweis von Qualität und Patientensicherheit sein könnten“, so Cremer.


Die Deutsche Gesellschaft für Thorax-, Herz- und Gefäßchirurgie (DGTHG) vertritt als medizinische Fachgesellschaft die Interessen der über 1.000 in Deutschland tätigen Herz-, Thorax- und Kardiovaskularchirurgen im Dialog mit Politik, Wirtschaft und Öffentlichkeit.

* K.-H. Kuck, H. Eggebrecht, H. R. Figulla, M. Haude, H. Katus, H. Möllmann, C. K. Naber, H. Schunkert, H. Thiele, C. Hamm: Positionspapier der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie – Qualitätskriterien zur Durchführung der transvaskulären Aortenklappenimplantation; Kardiologe 2014 - 8 (6): DOI 10.1007/s12181-014-0622-8, zu finden unter http://leitlinien.dgk.org/2014/positionspapier-der-deutschen-gesellschaft-fuer-kardiologie-qualitaetskriterien-zur-durchfuehrung-der-transvaskulaeren-aortenklappenimplantation/
** Cremer J., Heinemann M.K., Mohr F.W., Diegeler A., Beyersdorf F., Niehaus H., Ensminger S., Schlensak Ch., Reichenspurner H., Rastan A., Trummer G., Walther Th., Lange R., Falk V., Beckmann A., Welz A.: Kommentar zum Positionspapier der DGK – Qualitätskriterien zur Durchführung der transvaskulären Aortenklappenimplantation (TAVI), zu finden unter http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/25415629und http://dgthg.de/node/275
*** Urteil des Sozialgerichtes Duisburg zur Vergütung einer TAVI-Behandlung ohne herzchirurgische Fachabteilung am Klinikstandort vom 4.12.2013, zu finden unter https://sozialgerichtsbarkeit.de/sgb/esgb/show.php?modul=esgb&id=167544

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